Naturwein(natural wine, vin naturel) ist ein Begriff, den die Weinwelt wiederentdeckt hat. Galt ein Naturwein früher noch als Wein ohne Zuckerzusatz und war damit klar definiert, verschwimmen heutzutage die Grenzen. Ist Bio gleich Naturwein?
Oder muss er gar biodynamisch sein? Kommt der aus Amphoren? Ist Naturwein immer trüb? Das sind Fragen, die sich viele stellen und auf die es selten eindeutige Antworten gibt. Dennoch ist die Bezeichnung Naturwein an einige, zumindest moralische, Mindeststandards gebunden.
Die Bezeichnung Naturwein sendet uns ganz unbewusst eine Message: "ich bin ein natürlich entstandenes Produkt". Doch diese Aussage muss man in ihrem Kern ins Reich der Fabeln verweisen. Denn ohne das Zutun des Menschen könnte niemals Wein entstehen. Die reifen Trauben würden am Stock einfach austrocknen oder verfaulen. Wir reduzieren diese Aussage also deshalb wie folgt: Naturwein ist ein weitestgehend natürlich hergestelltes Produkt, auf das so wenig wie möglich von außen eingewirkt wird. Im Englischen benutzt man hierfür die alleserklärende Bezeichnung «low intervention». Und das beginnt bereits im Weinberg.
Im Vordergrund steht eine ökologische Bewirtschaftung, die vor allem auch den Boden berücksichtigt und dadurch langfristig die Reben widerstandsfähig gegen Krankheiten macht. Hierfür ist kein Zertifikat in Form eines EU-Biosiegels o.ä. erforderlich, sondern vielmehr die Überzeugung, die Arbeit im Weinberg so naturnah wie möglich umzusetzen. Naturweine müssen also keine zertifizierten BIO-Weine sein. Viele Winzer verzichten sogar ganz bewusst auf Kontrollen jeglicher Art. Zum Einen mag das finanzielle und bürokratische Gründe haben, zum Anderen ist aber auch eine gewisse Abneigung gegen die konservativen Standards der Wein- und Biokontrolle dafür verantwortlich. Während Qualitätsprüfungen als von der Industrie diktierte Vorgaben verstanden werden, gehen vielen die Standards für das EU Biosiegel nicht weit genung.
Doch es geht bei der Herstellung von Naturwein nicht nur um Nachhaltigkeit und ökologische Standards. Auch der Herkunftsgedanke (grob gesagt, Terroir) spielt dabei eine Rolle. So lautet die These, dass ein Wein nur dann die Charakteristik seiner Herkunft vollumfänglich abbilden kann, wenn so wenig wie möglich in den Prozess eingegriffen wird.
Schon alleine deshalb macht es keinen Sinn, in die Prozesse im Keller mehr einzugreifen, als man muss. Wir benutzen hier gerne das geflügelte Wort «kontrolliertes Nichtstun». Natürlich bewegt sich der Most vom Gärbehälter nicht in das Fass, um dort zu reifen. Ohne menschliches Zutun geschieht im Keller nichts. Dennoch werden Eingriffe, die den Charakter des Weins zu stark verändern, wie z.B. das Verwenden von Reinzuchthefen, das Chaptalisieren, neues Holz, (übermäßiges) Schwefeln oder Filtration z.B. mit Hilfe von Schichten- oder Membranfiltern weitestgehend abgelehnt.
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Und was ist nun mit den Amphoren? Und Orangewine?
Amphoren werden seit Jahrtausenden dazu verwendet, Wein auszubauen und zu lagern. Sie sind im Kontext der Naturweinbereitung eine häufig genutzte Ausbau- und Reifemöglichkeit. Ein Kriterium stellt die Verwendung der Amphore allerdings nicht dar.
Ähnlich verhält es sich mit der Maischegärung von weißen Trauben. Ein Vorgang, den man normalerweise von Rotwein kennt, um Farb- und Gerbstoffe zu extrahieren. Wendet man diese Technik bei weißen Trauben an, bestimmen Dauer der Maischegärung, Temperatur und zur Verfügung stehender Sauerstoff die Verfärbung der Maische samt des Mostes. Je nach Einwirkung dieser Einflüsse, sprechen wir von Orange- oder Amberwine. Diese alte Technik wird bei Naturweinen gerne angewendet. Doch auch hier gilt: ein weißer Naturwein muss keine Maischegärung hinter sich gebracht haben, um als Naturwein zu gelten.
Wer nun etwas tiefer in das Thema eintauchen möchte, dem sei der Magazinbeitrag von Jeannette ans Herz gelegt: